Steuerblick Oktober 2019
- Bundesfinanzhof bestätigt das seit 2014 geltende Reisekostenrecht
- Keine Geringfügigkeitsgrenze bei Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften – aber keine Gewerbesteuerbelastung
- Vorsteuerabzug für Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen durch einen Unternehmer?
- Erbschaftsteuer: Steuerbefreiung für Familienheim
- Nachlassverbindlichkeiten: Steuerberatungskosten für die nachträgliche Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Erblassers
Bundesfinanzhof bestätigt das seit 2014 geltende Reisekostenrecht
Seit dem Jahr 2014 gilt ein grundlegend geändertes Reisekostenrecht. Kern ist die Einschränkung des Werbungskostenabzugs hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durch die Entfernungspauschale. Diese Fahrten sind abzugrenzen von solchen Fahrten der Arbeitnehmer, die nach Reisekostengrundsätzen steuerlich geltend gemacht werden können. Zentral ist insoweit der Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“. Nach dem neuen Recht bestimmt sich die erste Tätigkeitsstelle vorrangig anhand der arbeitsvertraglichen oder dienstrechtlichen Zuordnung durch den Arbeitgeber.
Zunächst stellt der Bundesfinanzhof nun in mehreren gleichzeitig veröffentlichten Urteilen (vom 4.4.2019, Aktenzeichen VI R 27/17; vom 10.4.2019, Aktenzeichen VI R 6/17; vom 11.4.2019, Aktenzeichen VI R 36/16; vom 11.4.2019, Aktenzeichen VI R 40/16 und vom 11.4.2019, Aktenzeichen VI R 12/17) fest, dass diese Einschränkung des Werbungskostenabzugs durch die Entfernungspauschale verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Wesentliche Feststellungen zur Ausfüllung des gesetzlichen Begriffs der „ersten Tätigkeitsstätte“ sind:
- Für die Frage der Zuordnung ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden soll. Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden.
- Entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage kommt es für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die „erste Tätigkeitsstätte“ als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen.
- Eine Zuordnung ist unbefristet im Sinne der gesetzlichen Regelung, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
Die einzelnen entschiedenen Fälle stellten sich wie folgt dar:
- Der Streitfall VI R 27/17 betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich zunächst seine Dienststelle aufsuchte und von dort seinen Einsatz- und Streifendienst antrat. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung des Einsatz- und Streifendienstes. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er ging davon aus, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Das Finanzamt berücksichtigte Fahrtkosten lediglich in Höhe der Entfernungspauschale. Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es nicht an. Das Finanzgericht bestätigte die Ansicht des Finanzamtes.
Auch der Bundesfinanzhof bestätigt dieses Ergebnis. Nach neuem Recht ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer oder Beamte einer ersten Tätigkeitsstätte durch arbeits- oder dienstrechtliche Festlegungen sowie diese konkretisierende Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers (Dienstherrn) dauerhaft zugeordnet ist. Ist dies der Fall, kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht an. Ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer (Beamte) am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Dies war nach den Feststellungen des FG bei dem Streifenpolizisten im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall.
- Der Streitfall VI R 40/16 betraf eine Pilotin. Auch sie machte die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Flughafen sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen erfolglos gegenüber Finanzamt und Finanzgericht geltend. Der Bundesfinanzhof hat auch in diesem Fall das Finanzgerichtsurteil bestätigt. Fliegendes Personal, wie Piloten oder Flugbegleiter, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die arbeitsvertraglich geschuldet sind, hat dort seine erste Tätigkeitsstätte. Da die Pilotin in den auf dem Flughafengelände gelegenen Räumen der Airline in gewissem Umfang auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Flugvor- und Flugnachbereitung zu erbringen hatte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war somit, dass sie überwiegend im internationalen Flugverkehr tätig war. Der Bundesfinanzhof weist zudem darauf hin, dass auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) als (großräumige) erste Tätigkeitsstätte in Betracht kommt.
- Ebenso hat der Bundesfinanzhof in der Sache VI R 12/17 den Ansatz der Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen bei einer Luftsicherheitskontrollkraft verneint, die auf dem gesamten Flughafengelände eingesetzt wurde.
- Mit zwei weiteren Urteilen (VI R 36/16 und VI R 6/17) hat der Bundesfinanzhof bei befristeten Arbeitsverhältnissen entschieden, dass eine erste Tätigkeitsstätte vorliegt, wenn der Arbeitnehmer für die Dauer des befristeten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung tätig werden soll. Erfolgt während der Befristung eine Zuordnung zu einer anderen Tätigkeitsstätte, stellt letztere keine erste Tätigkeitsstätte mehr dar, weshalb ab diesem Zeitpunkt wieder die Dienstreisegrundsätze Anwendung finden.
Hinweis:
Insgesamt bestätigt sich, dass das Ziel der Vereinfachung durch klare Definition der ersten Tätigkeitsstätte gelungen ist. Nicht zu verkennen ist, dass dies für manche Berufsgruppen gegenüber dem früheren Recht eine Schlechterstellung gebracht hat. Gerade aus Sicht der Arbeitgeber kann durch arbeits-/dienstvertraglicher Zuweisung einer ersten Tätigkeitsstätte Klarheit bei der Reisekostenabrechnung geschaffen werden.
Keine Geringfügigkeitsgrenze bei Abfärbung von gewerblichen Beteiligungseinkünften – aber keine Gewerbesteuerbelastung
Personengesellschaften erzielen im Grundsatz dann gewerbliche Einkünfte, wenn eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Jedoch können auch bei dem Grunde nach vermögensverwaltenden Personengesellschaften kraft gesetzlicher Vorgabe gewerbliche Einkünfte vorliegen. Zum einen können bei einer GmbH & Co. KG auf Grund gewerblicher Prägung gewerbliche Einkünfte vorliegen, zum anderen können die Einkünfte auf Grund der sog. Abfärbewirkung in solche aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden. Die Abfärbewirkung kennt zwei Unterfälle:
- Zunächst gelten stets alle Einkünfte der Personengesellschaft als gewerbliche Einkünfte, wenn die an sich vermögensverwaltend tätige Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, welche nicht nur ganz geringfügig ist. So kann bspw. eine grundstücksverwaltende (also vermögensverwaltend tätige) Personengesellschaft insgesamt zu einer gewerblichen Gesellschaft werden, wenn diese auch gewerbliche Serviceleistungen anbietet. Folge ist dann zum einen eine Gewerbesteuerpflicht und zum anderen, dass insgesamt steuerliches Betriebsvermögen vorliegt und damit stille Reserven in der Vermögenssubstanz vollständig erfasst werden.
- Daneben liegen bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft auch dann insgesamt gewerbliche Einkünfte vor, wenn sich diese an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligt.
Zu dem zweitgenannten Fall, also der Abfärbung durch Beteiligungseinkünfte, hat nun der Bundesfinanzhof am 6.6.2019 (Aktenzeichen IV R 30/16) ein wegweisendes Urteil getroffen. Im Streitfall erzielte eine KG hauptsächlich Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Daneben wurden ihr in geringem Umfang (negative) gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen an anderen gewerblich tätigen Personengesellschaften (zwei Flugzeugleasingfonds) zugerechnet. Die Beteiligungsquoten betrugen 7 % an der T-KG und 2,5225 % an der L-KG. Auf die Stpfl. entfielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. –1 804,15 € (T-KG) bzw. –497,95 € (L-KG). Das Finanzamt sah nun bei der KG auf Grund der gewerblichen Beteiligungseinkünfte insgesamt gewerbliche Einkünfte. Der Stpfl. wandte dagegen ein, dass vorliegend eine Bagatellgrenze greifen müsse, da die Beteiligungseinkünfte nur äußerst geringfügig seien.
Hierzu stellt der Bundesfinanzhof nun fest, dass
- diese Abfärberegelung auf Grund der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht auch ohne Berücksichtigung einer Geringfügigkeitsgrenze, bis zu deren Erreichen die gewerblichen Beteiligungseinkünfte nicht auf die übrigen Einkünfte abfärben, verfassungsgemäß sei, aber
- das Gewerbesteuergesetz verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass ein lediglich auf Grund der Abfärbewirkung durch Beteiligungseinkünfte als gewerblich eingestuftes Unternehmen nicht der Gewerbesteuer unterliegt, da insoweit eine Schutzwirkung bei der Gewerbesteuer nicht angezeigt sei, weil die Beteiligungseinkünfte ja bei der Beteiligungsgesellschaft selber schon der Gewerbesteuer unterliegen.
Handlungsempfehlung:
Beteiligt sich eine vermögensverwaltende Gesellschaft an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, so führt dies also nicht dazu, dass auch die Einkünfte aus der vermögensverwaltenden Tätigkeit der Gewerbesteuer unterliegen. Andererseits liegen dann aber im einkommensteuerlichen Sinne gewerbliche Einkünfte vor, was zur Folge hat, dass Wertsteigerungen in der Vermögenssubstanz steuerlich erfasst werden. Diese Auswirkungen können gravierend sein, so dass in solchen Fällen stets steuerlicher Rat einzuholen ist.
Vorsteuerabzug für Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen durch einen Unternehmer?
In der Praxis wird die Genehmigung einer Gewerbeansiedlung oder bspw. eines Steinbruchs oder einer Sand-/Kiesgrube oftmals an die Auflage geknüpft, dass der Unternehmer die Zufahrtsstraße entsprechend des durch die Betriebsfahrzeuge erforderlichen Ausmaßes ausbaut bzw. ertüchtigt, was zu erheblichen Kosten führen kann. In diesen Fällen ist fraglich, ob dem Unternehmer aus für diese Maßnahme bezogenen Bauleistungen der Vorsteuerabzug zusteht.
Dem Bundesfinanzhof liegt aktuell ein solcher Fall zur Entscheidung vor. Dem klagenden Unternehmen, einer GmbH, war die Genehmigung zum Betrieb eines Steinbruchs unter der Auflage erteilt worden, eine für den Abtransport des gewonnenen Kalksandsteins zu nutzende öffentliche Gemeindestraße auszubauen. Die Stadt war Eigentümerin der Straße. Aus den für den Ausbau von anderen Unternehmern bezogenen Bauleistungen machte die GmbH den Vorsteuerabzug geltend.
Der Bundesfinanzhof bestätigt mit Beschluss vom 13.3.2019 (Aktenzeichen XI R 28/17) die Ansicht der Vorinstanz, dass nach Maßgabe nationalen Umsatzsteuerrechts die Stpfl. keinen Anspruch auf den Vorsteuerabzug habe, da die Eingangsleistungen in der Absicht bezogen wurden, sie für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit (unentgeltliche Lieferung an die Stadt) zu verwenden. Allerdings könnte das Unionsrecht eine abweichende Lösung nahelegen. Insoweit hat der Bundesfinanzhof nun dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob auf Grund neuerer EuGH-Rechtsprechung ein Vorsteuerabzug zu gewähren ist (Vorlagefrage 1). Sollte der EuGH dies bejahen, stellt sich die weitere Frage, ob der Vorsteuerabzug mit einer Umsatzsteuerforderung aus einer Leistung an die Gemeinde saldiert werden muss. Insoweit wird der EuGH hilfsweise zu klären haben, ob die Ausbaumaßnahme für die Stadt entweder zu einer entgeltlichen Lieferung von Gegenständen führt (Vorlagefrage 2), oder – wenn eine unentgeltliche Leistung vorliegt – ob die Voraussetzungen für die sog. Entnahmebesteuerung vorliegen (Vorlagefrage 3).
Erbschaftsteuer: Steuerbefreiung für Familienheim
Kinder können eine von ihren Eltern bewohnte Immobilie (sog. Familienheim) steuerfrei erben,
- soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war,
- diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist und
- soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
Bislang war ungeklärt und vielfach strittig, was unter „unverzüglich“ im Hinblick auf die Selbstnutzung durch den Erben zu verstehen ist. Hierzu hat nun der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 28.5.2019 (Aktenzeichen II R 37/16) grundsätzliche Feststellungen getroffen, die über den entschiedenen Fall hinaus von Bedeutung sind:
- Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten.
- Nach Ablauf von sechs Monaten muss der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie eine Renovierung der Wohnung, sind ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten.
Im Urteilsfall lag der Sachverhalt wie folgt: Der Stpfl. und sein Bruder beerbten zusammen ihren am 5.1.2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20.2.2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag, nach dem der Stpfl. das Alleineigentum an dem Haus erhalten sollte. Die Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 2.9.2015. Renovierungsangebote holte der Stpfl. ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016.
Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, ohne die Steuerbefreiung für Familienheime zu berücksichtigen. Auch das Finanzgericht sah den Erwerb als steuerpflichtig an. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit. Der Stpfl. habe das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt. Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung ins Grundbuch, habe der Stpfl. Angebote von Handwerkern eingeholt und damit überhaupt erst mit der Renovierung begonnen. Der Stpfl. habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten habe. Schließlich wies das Gericht darauf hin, dass der Stpfl. noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht – mithin zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall – in das geerbte Haus eingezogen war.
Handlungsempfehlung:
Es führt also ein erst späterer Einzug, d.h. nach Ablauf der Sechsmonatsfrist, nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb als Familienheim. Dies ist im Einzelfall dringend zu beachten, da die Erbschaftsteuerbefreiung materiell sehr bedeutsam sein kann. Sollte eine Selbstnutzung erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist möglich sein, sind die hierfür maßgeblichen Gründe sorgfältig zu dokumentieren.
Hierzu stellt das Gericht fest, dass solche Gründe z.B. vorliegen können, wenn sich der Einzug wegen einer Erbauseinandersetzung zwischen Miterben oder wegen der Klärung von Fragen zum Erbanfall und zu den begünstigten Erwerbern über den Sechsmonatszeitraum hinaus um einige weitere Monate verzögert. Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer längeren Verzögerung des Einzugs führen (wie z.B. eine Renovierung der Wohnung), sind nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss. Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem tatsächlichen Einzug des Erwerbers in die Wohnung ist, umso höhere Anforderungen sind an die Darlegung des Erwerbers und seine Gründe für die verzögerte Nutzung für eigene Wohnzwecke zu stellen.
Nachlassverbindlichkeiten: Steuerberatungskosten für die nachträgliche Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Erblassers
Übernimmt der Erbe Verpflichtungen des Erblassers, so mindern diese grds. als Nachlassverbindlichkeiten die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage. Die Abgrenzung solcher Nachlassverbindlichkeiten ist im Einzelfall vielfach aber umstritten. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte darüber zu entscheiden, ob Kosten für die nachträgliche Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Erblassers und für die Räumung einer hinterlassenen Eigentumswohnung als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sind. Das Finanzgericht kommt mit Urteil vom 15.5.2019 (Aktenzeichen 7 K 2712/18) zu dem Ergebnis, dass
- Steuerberatungskosten für die nachträgliche Erstellung der Einkommensteuererklärungen des Erblassers zu den abziehbaren Nachlassverbindlichkeiten gehören.
- Demgegenüber sind Kosten für die Räumung einer hinterlassenen Eigentumswohnung des Erblassers nicht als Nachlassverbindlichkeiten bei der Erbschaftsteuer abziehbar.
Mit der Erstellung der Einkommensteuererklärungen für den Erblasser erfüllt der Erbe im eigentlichen Sinne eine Verpflichtung des Erblassers gegenüber der Finanzbehörde, so dass die insoweit entstehenden Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.
Demgegenüber stellen die Kosten für die Räumung der Eigentumswohnung des Erblassers nach seinem Tod nach Ansicht des Gerichts keine Nachlassverbindlichkeiten dar. Der Erblasser hat die Räumung seiner Wohnung nicht selbst beauftragt. Damit war zum Todestag die Erbmasse nicht mit einer durch den Erblasser eingegangenen Verpflichtung belastet. Vielmehr hat erst die Erbin durch eine eigenständige Entscheidung die Räumung der Eigentumswohnung veranlasst, um die Wohnung als Nachlassgegenstand besser verwerten zu können. Auch liegen keine abziehbaren Kosten vor, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Nachlassabwicklungskosten soll dem Grunde nach die Kosten der Eröffnung des Testaments, der Erteilung des Erbscheins, der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses und dessen Wertes, die Kosten zur Umschreibung des Grundbuches und die Kosten der Testamentsvollstreckung oder Kosten durch die Auflösung der Erbengemeinschaft umfassen. Aufwendungen, die auf einem eigenen Willensentschluss des Erben beruhen, sind hingegen keine Nachlassregelungskosten. Dass eine vom Erblasser übernommene Wohnung zum Todestag nicht leer, sondern möbliert ist, hindert dessen Erben nicht daran, das rechtliche, ungeteilte Erbe an der Eigentumswohnung anzutreten. Die Kosten seien vielmehr solchen für die Verwaltung des Nachlasses gleichzustellen, welche kraft gesetzlicher Vorgabe nicht abzugsfähig sind.
Hinweis:
Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt, so dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofs abzuwarten bleibt.