Steuerblick November 2023

 


Häusliches Arbeitszimmer und Home-Office-Pauschale – FinVerw zur Neuregelung ab 1.1.2023

Die Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer wurden mit Wirkung ab 2023 grundlegend geändert und die Home-Office-Pauschale zeitlich entfristet und betragsmäßig deutlich ausgeweitet. Von besonderer Bedeutung ist das Nebeneinander der beiden Regelungen. In der Praxis ist der Anwendungsbereich beider Regelungen sorgfältig abzugrenzen. Andererseits dürften nunmehr sehr viele Stpfl. entweder von der Arbeitszimmerregelung oder der Home-Office-Pauschale profitieren. Ab 2023 gelten die folgenden Grundsätze:

 Häusliches ArbeitszimmerHome-Office-Pauschale
Anwendungsvoraus-setzungen1.      Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne – insbesondere Abgeschlossenheit gegenüber dem Privatbereich und nahezu ausschließliche berufliche/betriebliche Nutzung   und   2.      Arbeitszimmer bildet den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit.tageweises Tätigwerden in der häuslichen Wohnung   Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne liegt nicht vor oder von dieser Regelung wird kein Gebrauch gemacht   kein Abzug der Wohnungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
RechtsfolgeAnsatz der nachgewiesenen Aufwendungen.   oder (also wahlweise)   Ohne Nachweis der entstandenen Kosten erfolgt der Ansatz einer Jahrespauschale i.H.v. 1 260 € (für das Kalender- bzw. Wirtschaftsjahr). Diese Pauschale ermäßigt sich um jeweils 1/12 für Monate, in denen das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet – insoweit kann dann ggf. die Home-Office-Tagespauschale angesetzt werden.Ansatz einer Tagespauschale von 6 €, maximal 1 260 € im Jahr – also insgesamt für maximal 210 Tage – („Home-Office-Pauschale“) für jeden Kalendertag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird.Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auch auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird.
NachweisanforderungenNachweis, dass ein häusliches Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne vorliegt.Nachweis, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.Glaubhaftmachung der Tage, an der die Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt wird.Ggf. ist ergänzend darzulegen, dass für die Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Hinweis:

Diese Regelungen gelten für alle Einkunftsarten, also nicht nur für Arbeitnehmer, sondern insbesondere auch für Freiberufler und Gewerbetreibende.

Die FinVerw hat nun mit Schreiben vom 15.8.2023 (Az. IV C 6 – S 2145/19/10006 :027) ausführlich zur Anwendung der seit 2023 geltenden Regelungen Stellung genommen. Die wichtigsten Aspekte stellen wir im Folgenden vor.

Häusliches Arbeitszimmer: Begriff des häuslichen Arbeitszimmers

  • Nach der Rechtsprechung ist ein häusliches Arbeitszimmer ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Stpfl. eingebunden ist, vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken genutzt wird.
  • Es muss eine klare räumliche Abgrenzung zum Privatbereich vorhanden sein. Wird lediglich ein Teil eines Privatraumes betrieblich oder beruflich genutzt (sog. „Arbeitsecke“), liegt kein häusliches Arbeitszimmer vor.
  • Nicht unter die Reglung zum häuslichen Arbeitszimmer mit der nur sehr begrenzten steuerlichen Abzugsmöglichkeit fallen Räume, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, wie z.B. Betriebsräume, Lagerräume oder Ausstellungsräume. Dies gilt auch dann, wenn diese ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Stpfl. verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind.

Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem häuslichen Arbeitszimmer (mit begrenzter Abzugsfähigkeit der Kosten) und betrieblichen Räumen (grds. ohne Abzugsbeschränkung) können folgende Beispiele genannt werden:

Dem Grunde nach liegt in folgenden Fällen ein häusliches Arbeitszimmer vorKein häusliches Arbeitszimmer, sondern betrieblich genutzte Räume
häusliches Büro eines selbständigen Handelsvertreters, eines selbständigen Übersetzers oder eines selbständigen Journalistenhäusliches, ausschließlich betrieblich genutztes Musikzimmer eines freiberuflich tätigen Konzertpianisten, in dem dieser Musikunterricht erteilt   bei einem Raum, in dem der Stpfl. einen Telearbeitsplatz unterhält und der dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprichtEine Arzt-, Steuerberater- oder Anwaltspraxis grenzt an das Einfamilienhaus an oder befindet sich im selben Gebäude wie die Privatwohnung, wenn diese Räumlichkeiten für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet und z.B. bei häuslichen Arztpraxen für Patientenbesuche und -untersuchungen eingerichtet sind.   In einem Geschäftshaus befinden sich neben der Wohnung des Bäckermeisters die Backstube, der Verkaufsraum, ein Aufenthaltsraum für das Verkaufspersonal und das Büro, in dem die Buchhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Das Büro ist in diesem Fall auf Grund der Nähe zu den übrigen Betriebsräumen nicht als häusliches Arbeitszimmer zu werten.   Im Keller ist ein Raum belegen, der z.B. als Lager für Waren und Werbematerialien genutzt wird und damit keine (Teil-)Funktionen erfüllt, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommen.

Handlungsempfehlung:

Im ersten Schritt ist also sehr sorgfältig zu prüfen, ob ein häusliches Arbeitszimmer im steuerlichen Sinne vorliegt. Insoweit ist eine Dokumentation anzuraten, damit dies auf Anfrage gegenüber dem Finanzamt nachgewiesen werden kann.

Häusliches Arbeitszimmer: Betroffene Aufwendungen

  • Zu den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gehören zunächst die Aufwendungen für die Ausstattung des Zimmers, wie z.B. Teppiche, Fenstervorhänge, Gardinen und Lampen.
  • Einrichtungsgegenstände, die zugleich Arbeitsmittel sind, wie z.B. der Schreibtisch oder Bürostuhl und Regale oder Aktenschränke sind nicht erfasst, sondern als Arbeitsmittel nach den allgemeinen Regeln steuerlich anzusetzen. Auch beruflich/betrieblich veranlasste Aufwendungen für Telefon/Internet fallen nicht unter die Kosten des Arbeitszimmers.
  • Daneben sind die auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Anteile an den Gesamtaufwendungen für die Wohnung oder für das Gebäude anzusetzen, wie z.B. für Miete, Gebäude-AfA, Schuldzinsen für Kredite, die zur Anschaffung, Herstellung oder Reparatur des Gebäudes oder der Eigentumswohnung verwendet worden sind, Aufwendungen für Wasser und Energie, Reinigungsaufwendungen, Grundsteuer, Müllabfuhrgebühren, Schornsteinfegergebühren, Gebäudeversicherungen. Insoweit ist eine Aufteilung nach qm Wohnfläche vorzunehmen.
  • Abzugsfähig sind auch Renovierungsaufwendungen betreffend das Arbeitszimmer selbst. Renovierungskosten, die das Haus bzw. die Wohnung insgesamt betreffen, wie z.B. Reparatur des Daches oder Erneuerung der Heizung, können anteilig (nach qm Wohnfläche) angesetzt werden.
  • Aufwendungen für Luxusgegenstände wie z.B. Kunstgegenstände, die vorrangig der Ausschmückung des häuslichen Arbeitszimmers dienen, sind steuerlich nicht abzugsfähig.

Hinweis:

Anstatt der Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen und nachgewiesenen Kosten kann wahlweise die Jahrespauschale i.H.v. 1 260 € angesetzt werden. Diese ist unabhängig von den tatsächlichen Kosten, der Ansatz erfolgt also auch dann, wenn die Kosten geringer sind. Diese Pauschale ermäßigt sich um jeweils 1/12 für Monate, in denen das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet insoweit kann dann ggf. die Home-Office-Tagespauschale angesetzt werden. Aufwendungen für Arbeitsmittel sind nicht durch die Jahrespauschale abgegolten und können somit zusätzlich angesetzt werden.

Häusliches Arbeitszimmer: Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung

  • Zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Regelung zum steuerlichen Arbeitszimmer ist, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Stpfl. bildet.
  • Wird die gesamte berufliche und betriebliche Tätigkeit ausschließlich im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt, ist das Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit des Stpfl. Dies betrifft beispielsweise Tele- und Heimarbeiter, die ihre Tätigkeit ausschließlich zu Hause ausüben, freiberufliche Schriftsteller, Journalisten, Übersetzer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Architekten, Immobilienmakler, Ingenieure, Künstler.
  • Wird die Tätigkeit teilweise außer Haus durchgeführt („Außendienst“), so kommt es auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu. So hat die Rechtsprechung einen Tätigkeitsmittelpunkt z.B. nicht anerkannt bei
  • Lehrkräften – Tätigkeitsmittelpunkt ist die Schule,
  • einer Produkt- und Fachberaterin, wenn die Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist,
  • einem Handelsvertreter, der nahezu werktäglich von 7 bis 21 Uhr im Außendienst tätig ist,
  • einem Hochschullehrer und einem Richter,
  • Berufsbetreuern.
  • Übt ein Stpfl. mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus, lassen sich grds. drei Fallgruppen unterscheiden:
  • Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten – jeweils – die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
  • Bilden hingegen die außerhäuslichen Tätigkeiten – jeweils – den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
  • Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer einzelnen Tätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten des Stpfl., ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet. Insoweit kommt es allerdings auf den Einzelfall an.

Häusliches Arbeitszimmer: weitere Einzelfragen

  • Übt ein Stpfl. mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus und bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, so sind die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer oder die wahlweise in Anspruch genommene Jahrespauschale entsprechend dem Nutzungsumfang den darin ausgeübten Tätigkeiten zuzuordnen. Die FinVerw lässt es aus Vereinfachungsgründen aber auch zu, wenn der Stpfl. die Aufwendungen oder die Jahrespauschale insgesamt nur einer Tätigkeit zuordnet. Insgesamt kann die Jahrespauschale aber auch in diesen Fällen nur einmal angesetzt werden und nicht je Tätigkeit.
  • Nutzen mehrere Personen, wie z.B. Ehegatten, ein häusliches Arbeitszimmer gemeinsam, so gilt:
  • Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des häuslichen Arbeitszimmers sind für jede Person gesondert zu prüfen. Liegen diese Voraussetzungen jeweils vor, kann jeder das häusliche Arbeitszimmer Nutzende die Aufwendungen abziehen, die dieser getragen hat.
  • Die Jahrespauschale ist personenbezogen anzuwenden. Eine Verteilung der Pauschale auf die nutzenden Personen erfolgt nicht.
  • Ändern sich die Nutzungsverhältnisse innerhalb eines Wirtschafts- oder Kalenderjahres, können nur die auf den Zeitraum entfallenden Aufwendungen abgezogen werden, in dem das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Dementsprechend ermäßigt sich auch die Jahrespauschale von 1 260 € für jeden vollen Kalendermonat, in dem das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, um ein Zwölftel. Für den Zeitraum, in dem das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, kommt ggf. ein Abzug der Tagespauschale von 6 € je Kalendertag (siehe nachstehend) in Betracht.
  • Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer oder die Jahrespauschale können in Zeiten der Nichtbeschäftigung (z.B. Erwerbslosigkeit, Mutterschutz, Elternzeit) nach den Regeln zu vorweggenommenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit dem Stpfl. der Abzug der Aufwendungen oder der Jahrespauschale auch unter den zu erwartenden Umständen der späteren betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit zustehen würde. Insoweit bestehen dann keine Unterbrechungszeiten.

Abzug der Tagespauschale

  • Die Tagespauschale kann für jeden Kalendertag abgezogen werden, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird. In diesen Fällen kommt es für den Abzug nicht darauf an, ob dem Stpfl. ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Eine Auswärtstätigkeit am selben Tag ist unschädlich, wenn der Stpfl. an diesem Tag seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit zeitlich überwiegend in der häuslichen Wohnung ausübt. Überwiegt dagegen zeitlich die Auswärtstätigkeit, so kann für diesen Tag keine Tagespauschale angesetzt werden.
  • Die Tagespauschale beträgt 6 € pro Kalendertag, höchstens 1 260 € im Jahr. Kosten für Arbeitsmittel sind hiermit nicht erfasst, sondern können daneben geltend gemacht werden.
  • Übt der Stpfl. mehrere Tätigkeiten aus, so gilt, dass die Tagespauschale von 6 € sich auf den Kalendertag bezieht und sich auch dann nicht erhöht, wenn an einem Kalendertag verschiedene betriebliche oder berufliche Betätigungen ausgeübt werden, für die jeweils die Abzugsvoraussetzungen vorliegen. In diesem Fall kann der Stpfl. aus Vereinfachungsgründen auf eine Aufteilung der Tagespauschale auf die verschiedenen Tätigkeiten verzichten und diese insgesamt einer Tätigkeit zuordnen, für die die Voraussetzungen für den Abzug der Tagespauschale vorliegen.
  • Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung und wird der Stpfl. auch in der häuslichen Wohnung tätig, ist ein Abzug der Tagespauschale auch dann zulässig, wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird. Dies betrifft z.B. regelmäßig Lehrer an Schulen.
  • Können für eine Zweitwohnung Unterkunftskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung steuerlich abgezogen oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden, ist ein Abzug der Tagespauschale nicht zulässig. Wird dagegen die betriebliche oder berufliche Tätigkeit am Ort des eigenen Hausstandes ausgeübt, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, soweit die weiteren Abzugsvoraussetzungen vorliegen.

Handlungsempfehlung:

Die Kalendertage, an denen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Tagespauschale erfüllt sind, müssen vom Stpfl. aufgezeichnet und in geeigneter Form glaubhaft gemacht werden. Besondere Anforderungen werden an diese Aufzeichnungen nicht gestellt.


Einbringung einer Abfindungszahlung in ein Wertguthaben: regelmäßig noch keine Lohnsteuerpflicht

Vielfach sind Umstrukturierungen, Standortschließungen oder -verlagerungen damit verbunden, dass ausscheidenden Mitarbeitern umfangreiche Abfindungszahlungen angeboten werden. Dies ist für die ausscheidenden Mitarbeiter zwar oftmals finanziell attraktiv, führt aber regelmäßig zu hohen Steuerzahlungen. Insoweit kommt zwar grds. bei der Berechnung der Lohnsteuer die 1/5-Reglung zur Anwendung, diese entfaltet aber bei Stpfl., die über höhere Einkommen verfügen, oftmals keine oder keine maßgebliche Entlastung. Ein gerade bei älteren Arbeitnehmern sehr beliebtes Modell zur Optimierung der Lohnsteuerbelastung ist die Übertragung der Abfindungszahlung in ein Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines Vorruhestandes. Diese Gestaltung ist als „Mannheimer Modell“ bekannt. Bei diesem Modell wird eine Einmalzahlung einem Wertguthaben zugeführt und dieses bei Ausscheiden des Arbeitnehmers auf die DRV Bund übertragen. Das Freistellungsgehalt zur Finanzierung eines Vorruhestands wird monatlich bei der DRV Bund abgerufen.

Unterschiedlich wird die Frage beantwortet, ob dieses Modell sozialversicherungsrechtlich so zulässig ist. Als problematisch stellte sich diese Frage aber v.a. für die lohnsteuerliche Behandlung heraus. So hatte das FG Berlin-Brandenburg für einen solchen Fall entschieden, dass Abfindungen, die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt würden und auf ein Wertguthaben transferiert werden, mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Betrag als zugeflossen gelten würden und damit der Lohnsteuer unterliegen. Dieser Sichtweise hat nun aber der BFH in dem Revisionsverfahren ausdrücklich widersprochen. Mit Urteil vom 3.5.2023 (Az. IX R 25/21) hat dieser klargestellt, dass dem Arbeitnehmer Arbeitslohn (im Streitfall eine Entlassungsentschädigung) auch dann nicht zufließt, wenn die Vereinbarung über die Zuführung zu einem Wertguthaben des Arbeitnehmers oder die vereinbarungsgemäße Übertragung des Wertguthabens auf die DRV Bund sozialversicherungsrechtlich unwirksam sein sollten, soweit alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Damit wird diese Vorgehensweise zur Erreichung eines Aufschubs der Lohnsteuerbelastung auf die Abfindung bestätigt und kann in der Praxis eingesetzt werden.

Hinweis:

Die Arbeitgeberpflichten zur Einbehaltung und Abführung der bis dahin nicht erhobenen Lohnsteuer treffen die DRV Bund, sobald das Wertguthaben in Anspruch genommen wird.