In Erbschaft-/Schenkungsteuerfällen ist im Grundsatz vorgesehen, dass übertragene Immobilien mit einem Wert angesetzt werden, der dem Marktwert nahekommt. Dies ist bislang vielfach aber nicht gewährleistet, da aktuelle Bewertungsparameter, die die örtlichen Gutachterausschüsse ermitteln sollen, oftmals nicht in der gesetzlich geforderten Form vorliegen. Dies betrifft insbesondere den Liegenschaftszins, der maßgeblich die Bewertung von vermieteten Mehrfamilienhäusern bestimmt.
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) soll die Nutzung der Marktdaten der örtlichen Gutachterausschüsse nun abgesichert werden und damit insbesondere der kritischen Rechtsprechung des BFH begegnet werden. Die Auswirkungen können im Einzelfall gravierend sein. Insbesondere ist der Gebäudewert (stark vereinfacht) wesentlich aus den erzielten Mieten und unter Berücksichtigung des Liegenschaftszinssatzes zu berechnen. Der Liegenschaftszinssatz ist dazu in einen Vervielfältiger umzurechnen. Soweit im Einzelfall kein vom örtlichen Gutachterausschuss vorliegender Liegenschaftszinssatz vorliegt, kommt ein gesetzlich vorgegebener Liegenschaftszinssatz zur Anwendung. Die aktuellen Liegenschaftszinssätze für Mietwohngrundstücke stellen sich wie folgt dar:
Liegenschaftszins | Vervielfältiger bei einer Restnutzungsdauer des Gebäudes von z.B. 40 Jahren | |
gesetzlich vorgesehener Ersatzwert | 5 % | 17,16 |
gesetzlich vorgesehener Ersatzwert ab 1.1.2023 nach dem Entwurf des JStG 2022 | 3,5 % | 21,36 |
nach dem örtlichen Gutachterausschuss (Beispiel) | 1,3 % | 31,03 |
Für Ein- und Zweifamilienhäuser gelten regelmäßig niedrigere Liegenschaftszinssätze bzw. höhere Vervielfältiger. Hinzu kommt noch eine weitere wertsteigernde Änderung, welche in der vorstehenden Tabelle noch nicht berücksichtigt ist: Bei der Umrechnung der Liegenschaftssätze in Vervielfältiger wird die Gesamtnutzungsdauer für die Gebäudearten „Ein- und Zweifamilienhäuser“, „Mietwohngrundstücke“, „Wohnungseigentum“ sowie „Gemischt genutzte Grundstücke (Wohnhäuser mit Mischnutzung)“ entsprechend der ImmoWertV von 70 Jahren auf 80 Jahren erhöht.
Diese im Einzelfall deutlichen Erhöhungen der Bewertungen können zum einen Anlass sein, vorgesehene Übertragungen von Immobilien insbesondere im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ggf. zeitlich vorzuziehen. Insoweit kann allerdings abzuwägen sein, ob erwartet wird, dass auf Grund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Immobilienwerte in den kommenden Jahren möglicherweise deutlich sinken.
Des Weiteren ist zu beachten, dass die gesetzliche Bewertung sehr pauschal vorgeht, also individuelle Faktoren der Wertermittlung nicht berücksichtigt. Sollte der gesetzlich ermittelte Wert deutlich den Marktwert überschreiten, so kann der Stpfl. den geringeren Marktwert mittels qualifizierten Bewertungsgutachtens nachweisen. Allerdings muss dieses Gutachten fachlich hohen Ansprüchen genügen und ist damit kostenintensiv.
Handlungsempfehlung:
In solchen Fällen sollte stets steuerlicher Rat eingeholt werden, da vielfältige und materiell sehr bedeutsame steuerliche Aspekte zu berücksichtigen sind.