Steuerblick September 2021


Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig

Sowohl Steuernachforderungen als auch -erstattung werden nach Ablauf einer Karenzzeit von 15 Monaten (aktuell auf Grund der Corona-Pandemie für 2019 und 2020 verlängerte Frist) zu Lasten wie zu Gunsten des Stpfl. verzinst. Damit sollen Vor-/Nachteile aus der verspäteten Zahlung bzw. Erstattung zwischen Finanzamt und Stpfl. ausgeglichen werden. Der insoweit anzuwendende Zinssatz ist gesetzlich festgeschrieben und beträgt 6 % p.a.

In Anbetracht der seit langem deutlich niedrigeren Kapitalmarktzinsen mehrten sich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe dieses gesetzlichen Zinssatzes. Dies hat nun das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 8.7.2021 (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) bestätigt. Nach diesem Beschluss ist der gesetzliche Zinssatz ab dem 1.1.2014 verfassungswidrig. Hinsichtlich der Folgen der Verfassungswidrigkeit unterscheidet das Gericht:

  • Trotz der festgestellten Verfassungswidrigkeit der Höhe des Zinssatzes bleibt das bisherige Recht für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Insoweit ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen.
  • Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die aktuellen Gesetzesvorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 erstreckt und alle noch nicht bestandskräftigen Fälle erfasst. Das Gericht hat es insoweit dem Gesetzgeber überlassen, wie er die zu treffende Neuregelung ausgestalten will; dies bleibt abzuwarten.

Für Stpfl. ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Zukünftig ist eine Verzinsung von Steuernachforderungen und auch Steuererstattungen mit einem marktgerechten Zinssatz vorzunehmen. Insoweit bleibt die gesetzliche Neuregelung abzuwarten.
  • Für Zinszeiträume ab 1.1.2019 ist weiter zu differenzieren:
  • Kommt es zukünftig zu Zinsfestsetzungen, so sind diese zu Gunsten wie zu Lasten des Stpfl. unter Maßgabe der noch vom Gesetzgeber zu treffenden Neuregelung durchzuführen.
  • Erfolgte bereits eine Zinsberechnung zu Gunsten oder zu Lasten des Stpfl. und ist der insoweit ergangene Zinsbescheid verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar, so bleibt die bisherige Zinsberechnung bestehen.
  • Die Zinsberechnungen zu Gunsten wie zu Lasten des Stpfl. wurden bereits seit einiger Zeit im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängige Streitfrage nur noch vorläufig erlassen. Solche Zinsberechnungen können nun nach Neuregelung durch den Gesetzgeber für Zinszeiträume ab 1.1.2019 durch die Finanzämter automatisch neu berechnet werden und es erfolgt eine Korrektur. Allerdings ist eine Änderung zu Lasten des Stpfl. auf Grund der gesetzlichen Vertrauensschutzregelung nach derzeitigen Erkenntnissen wohl ausgeschlossen.

Hinweis:

Ob aus Zinsberechnungen für Zeiträume ab 1.1.2019 Korrekturen zu Gunsten oder auch zu Lasten des Stpfl. erfolgen müssen, ist individuell zu prüfen. In der Zukunft dürfte auf Grund des aktuell niedrigen Zinsniveaus eine späte Korrektur einer Steuerfestsetzung bspw. im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung deutlich geringere Zinseffekte verursachen.

Abzuwarten bleiben die Konsequenzen auf andere Zinsregelungen in den Steuergesetzen, so bspw. bei der Ermittlung des Bilanzwertes für Pensionsrückstellungen. Diese Fälle waren nicht Gegenstand dieser nun entschiedenen Streitfälle, sondern sind weiter beim Bundesverfassungsgericht anhängig.


Weitere Erleichterungen zum Nachweis des Corona-Bonus

Das Bundesministerium der Finanzen hat die FAQ „Corona“ (Steuern) aktualisiert. Unter anderem wurden Erleichterungen zum Nachweis des sog. Corona-Bonus von 1 500 € aufgenommen.

Zum Hintergrund: Steuerfrei sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 1.3.2020 bis zum 31.3.2022 auf Grund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1 500 €. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Der Betrag von 1 500 € kann insgesamt nur einmal innerhalb dieses Zeitraums in Anspruch genommen werden, die Auszahlung ist aber in mehreren Beträgen möglich. Die maßgeblichen Passagen der FAQ lauten:

  • Für die Steuerfreiheit der Leistungen ist es erforderlich, dass aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder anderen Vereinbarungen bzw. Erklärungen erkennbar ist, dass es sich um steuerfreie Beihilfen und Unterstützungen zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise handelt und die übrigen Voraussetzungen des § 3 Nr. 11a EStG eingehalten werden.
  • Der Zusammenhang der Beihilfen und Unterstützungen mit der Corona-Krise kann sich aus einzelvertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aus ähnlichen Vereinbarungen oder aus Erklärungen des Arbeitgebers ergeben. Ähnliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können zum Beispiel Tarifverträge oder gesonderte Betriebsvereinbarungen sein. Als Erklärungen des Arbeitgebers werden zum Beispiel individuelle Lohnabrechnungen oder Überweisungsbelege anerkannt, in denen die Corona-Sonderzahlungen als solche ausgewiesen sind.

Handlungsempfehlung:

Die Hürden für die Steuerfreiheit wurden also nochmals abgesenkt. Wichtig ist aber, dass die steuerfreien Leistungen im Lohnkonto aufzuzeichnen sind, so dass sie bei der Lohnsteuer-Außenprüfung als solche erkennbar sind und die Rechtsgrundlage für die Zahlung bei Bedarf geprüft werden kann.


Betriebsveranstaltung: Aufteilung der angefallenen Kosten auf die tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmer

Der BFH hat zum aktuellen Einkommensteuerrecht bestätigt, dass

  • bei der Bewertung von Arbeitslohn anlässlich einer Betriebsveranstaltung alle mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen sind, ungeachtet dessen, ob sie beim Arbeitnehmer einen Vorteil begründen können.
  • die danach zu berücksichtigenden Aufwendungen (Gesamtkosten) des Arbeitgebers zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen sind.

Der Sachverhalt stellte sich wie folgt dar: Ende des Jahres 2016 plante die Arbeitgeberin die Durchführung eines gemeinsamen Kochkurses als Weihnachtsfeier, zu der sie alle Betriebsangehörigen einlud. Insgesamt 27 Arbeitnehmer sagten ihre Teilnahme zu. Die Stpfl. gab dementsprechend bei der Auftragserteilung an den externen Veranstalter eine Teilnehmeranzahl von 27 Personen an, anhand derer die Veranstaltung kalkuliert wurde. Da zwei Arbeitnehmer kurzfristig abgesagt hatten, nahmen tatsächlich nur 25 Arbeitnehmer an dem Kochkurs teil, ohne dass dies zu einer Verminderung der Veranstaltungskosten führte. Vielmehr stellte der Veranstalter der Stpfl. die ursprünglich kalkulierten Kosten i.H.v. brutto 3 052,35 € in Rechnung. Die Stpfl. war der Ansicht, dass die Kosten, die auf die beiden angemeldeten, aber nicht teilnehmenden Arbeitnehmer entfielen, nicht Teil der Zuwendungen an die tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmer seien.

Unstrittig war die Einstufung des Kochkurses als Betriebsveranstaltung und ebenso die Anwendung des Freibetrags von 110 € je Teilnehmer. Wird dieser Freibetrag überschritten, liegt in Höhe des übersteigenden Betrags stpfl. Arbeitslohn vor. Die Anwendung dieses Freibetrags gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich. Fraglich war aber, ob die Kosten i.H.v. 3 052,35 € auf 27 Personen (Anzahl der angemeldeten Arbeitnehmer) und mithin jedem teilnehmenden Arbeitnehmer (vor Freibetrag) ein Vorteil von 113,05 € oder aber auf 25 Personen (Anzahl der teilnehmenden Arbeitnehmer) und mithin jedem teilnehmenden Arbeitnehmer (vor Freibetrag) ein Vorteil von 122,09 € zuzurechnen war.

Der BFH stellt hierzu klar:

  • Die Zuwendungen im Rahmen der Betriebsveranstaltung sind mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen. In die Bemessungsgrundlage sind damit alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon einzubeziehen, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um den rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.
  • Dabei ist insoweit abzustellen auf die teilnehmenden Arbeitnehmer/Begleitpersonen. Eine Bemessung des dem einzelnen Arbeitnehmer zufließenden Vorteils nach der Anzahl der angemeldeten Arbeitnehmer komme nach aktueller Gesetzesfassung nicht in Betracht.

Hinweis:

Damit bestätigt der BFH die Auffassung der FinVerw.


Grundsatzentscheidungen des BFH zur nachgelagerten Rentenbesteuerung

Von großer Tragweite sind zwei Grundsatzentscheidungen des BFH v. 19.5.2021 zur nachgelagerten Rentenbesteuerung (Az. X R 33/19 und X R 20/19). In beiden Entscheidungen ging es um Freiberufler, die ihre Beiträge zur Altersversorgung in der Ansparphase auf Grund der damals geltenden Rechtslage nur teilweise als Sonderausgaben steuerlich absetzen konnten, jedoch der nunmehr geltenden nachgelagerten Rentenbesteuerung, also der grds. steuerlichen Erfassung der Rentenzahlungen, unterliegen. Grundsätzlich sieht der BFH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einführung der nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften. In beiden Fällen wurden im Ergebnis die Revisionen abgewiesen. Die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidungen liegt jedoch darin, dass der BFH davon ausgeht, dass es für zukünftige Rentnerjahrgänge zu einer verfassungswidrigen „doppelten Besteuerung“ kommen kann und der Gesetzgeber deshalb die aktuell geltenden steuerlichen Regelungen nachbessern muss.

Zum Hintergrund: Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Altersvorsorgeprodukten, die steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Hieran hat sich durch die Neuregelung der Besteuerung von Alterseinkünften zum 1.1.2005 nur teilweise etwas geändert, da diese Änderungen mit einer langen Übergangsphase verbunden sind. Diese Übergangsphase ist notwendig, da es einerseits um die steuerliche Berücksichtigung der Beitragsleistungen in der Ansparphase und andererseits um die steuerliche Erfassung der Leistungen in der Rentenphase geht. Beide Phasen müssen aufeinander abgestimmt sein.

Seit dieser Reform werden grundsätzlich Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend steuerlich erfasst, im Gegenzug Altersvorsorgeaufwendungen aber auch ebenso zunehmend als Sonderausgaben steuerlich berücksichtigt. Dieser Übergang zu einer am Ende vollständigen nachgelagerten Besteuerung dauert insgesamt bis zum Jahr 2040. Bei Personen, die im Jahr 2040 oder später in Rente gehen, unterliegt die Rente nach aktueller Gesetzeslage dann in voller Höhe der Besteuerung.

Steuerlich ist hinsichtlich wichtiger Altersvorsorgeprodukte zu unterscheiden:

  • Leibrenten und andere Leistungen aus den gesetzlichen Alterssicherungssystemen: Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Basisrentenverträgen unterliegen seit 2005 grundsätzlich der nachgelagerten Besteuerung, d.h. die steuerliche Erfassung erfolgt in der Rentenphase. Auf Grund des Systemwechsels im Jahre 2005 kommt für die Besteuerung von Renten aus den gesetzlichen Alterssicherungssystemen und Basisrentenverträgen bis zum Jahr 2039 eine Übergangsregelung zur Anwendung. Dabei steigen sowohl die Besteuerung der Leistungen als auch der Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen sukzessive an. Für jede Rente wird der anteilige Rentenbetrag gesondert ermittelt, der zu versteuern ist (Besteuerungsanteil). Maßgebend ist insoweit das Jahr des erstmaligen Rentenbezugs und dieser Rentenanteil bleibt dann für die gesamte Rentenbezugsdauer konstant. Der Besteuerungsanteil bei einem Rentenbeginn im Jahr 2020 beträgt z.B. 80 %.
  • Andere Leibrenten: Lebenslange Leibrenten, die nicht aus einem der gesetzlichen Alterssicherungssysteme bzw. aus einer Basisrente stammen, werden mit dem sog. Ertragsanteil steuerlich erfasst. Mit dem Ertragsanteil soll in typisierender Form der Teil der ab dem Beginn der Auszahlungsphase anfallenden Zinsen ermittelt werden. So beträgt bspw. der Ertragsanteil bei Beginn der Rente mit der Vollendung des 65. Lebensjahres 18 %. Dies betrifft z.B. Renten aus privaten Lebensversicherungen. Andererseits können die Beitragszahlungen grundsätzlich nicht als Sonderausgaben angesetzt werden. Lediglich Beiträge zu Lebens- und Rentenversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, sind als Sonderausgaben abzugsfähig, wobei allerdings Maximalbeträge gelten, die oftmals bereits durch die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung ausgeschöpft sind.
  • Riester-Versicherungen: Der Staat fördert die Riester-Rente sowohl direkt über Zulagen als auch indirekt über Steuervorteile durch den Sonderausgabenabzug von max. 2 100 €. Der Sonderausgabenabzug wird aber nur gewährt, wenn er für die Stpfl. günstiger ist als die Zulagen. Ob das der Fall ist, hängt von mehreren Faktoren ab, etwa der Zahl der Kinder, dem Steuersatz und der gezahlten Riester-Beiträge. Insoweit erfolgt im Rahmen der Steuerveranlagung eine Günstigerprüfung durch das Finanzamt. Entsprechend werden die Leistungen in der Auszahlungsphase besteuert. Allerdings korrespondiert die Höhe der Besteuerung mit der steuerlichen Freistellung der Beiträge in der Ansparphase. Wurden die jeweiligen Beitragszahlungen steuerlich gefördert, dann sind die sich daraus ergebenden Altersleistungen voll nachgelagert zu versteuern. Hat der Anleger hingegen keine Förderung erhalten, werden maximal die entstandenen Erträge und Wertsteigerungen besteuert.
  • Besteuerung von Pensionen: Versorgungsbezüge (insbesondere Beamten- und Werkspensionen) gehören als Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen zu den – nachträglichen – Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Da für diese Altersbezüge anders als für Renten im aktiven Arbeitsleben keine eigenen Beiträge gezahlt werden, unterliegen Versorgungsbezüge grundsätzlich in vollem Umfang der Besteuerung. Allerdings wird der Versorgungsfreibetrag gewährt, so dass ein Teil der Pensionszahlungen steuerfrei ist.

Hinweis:

Im Einzelfall sind weitere Varianten zu differenzieren, so dass die steuerliche Behandlung für jeden Fall unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse zu ermitteln ist.

Entscheidend ist nun der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung deshalb, weil schon aktuell beginnende Renten mit einem hohen Anteil und ab einem Rentenbeginn im Jahr 2040 Renten in vollem Umfang besteuert werden, andererseits aber bei diesem Personenkreis in der langen Rentenansparphase viele Jahre liegen, in denen die Rentenbeiträge nur zu einem geringen Anteil steuerlich berücksichtigt werden konnten. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts müssen die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen „in jedem Fall“ so aufeinander abgestimmt sein, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Dies wird negativ abgegrenzt: Eine solche doppelte Besteuerung ist dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus bereits versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen.

Erstmals hat der X. Senat jetzt konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten festgelegt. Dabei hat er klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind.

Alle anderen Beträge, die die FinVerw ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Sie dienen anderen – überwiegend verfassungsrechtlich gebotenen und daher für den Gesetzgeber nicht dispositiven – Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Damit bleibt insbesondere auch der sog. Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Stpfl. sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt.

Bei Anwendung dieser Berechnungsgrundsätze konnte die Revision der Stpfl. in den Urteilsfällen keinen Erfolg haben. Angesichts der jeweils noch recht hohen Rentenfreibeträge von 46 % (Rentenbeginn im Jahr 2007) bzw. 42 % (Rentenbeginn im Jahr 2009) der Rentenbezüge der Stpfl. ergab sich nach Ansicht des BFH keine doppelte Besteuerung. Diese zeichnet sich allerdings für spätere Rentnerjahrgänge, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, ab. Denn auch diese Rentnerjahrgänge haben erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet.

Hinweis:

Der Gesetzgeber muss nun für künftige Rentnerjahrgänge steuerliche Erleichterungen schaffen, um eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung zu vermeiden.


BFH hält die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste für verfassungswidrig

Der VIII. Senat des BFH hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass nach den gesetzlichen Vorgaben Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.

Zum Hintergrund: Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Besteuerung von Kapitalanlagen, die dem steuerlichen Privatvermögen zuzurechnen sind, grundlegend neu gestaltet. Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (u.a. Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen – also Gewinne und Verluste – in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung. Allerdings ist die Geltendmachung von Verlusten in zweierlei Weise eingeschränkt:

  • Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grds. abgeltend mit einem speziellen Steuersatz von 25 % besteuert werden, ist gesetzlich vorgesehen, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen.
  • Eine zusätzliche Verlustverrechnungsbeschränkung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien. Diese dürfen nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dadurch Risiken für den Staatshaushalt verhindert werden.

Im Streitfall hatte der Stpfl. aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalvermögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen bestanden, zu verrechnen. Nach Auffassung des BFH bewirkt die besondere Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus Aktienengagements eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil sie Stpfl. ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsverluste ergebe sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen. Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung komme als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht.

Handlungsempfehlung:

Ob das geltende Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss nun das Bundesverfassungsgericht prüfen. Insoweit sollten Steuerfälle mit Verlusten aus Aktienverkäufen und gleichzeitig positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verfahrensrechtlich offengehalten werden, um ggf. von einer Bestätigung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht profitieren zu können.