FinVerw nimmt ausführlich Stellung zur Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen

Ende vergangenen Jahres wurde gesetzlich eine Steuerbefreiung bei der Einkommensteuer für bestimmte Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) eingeführt. Diese ist rückwirkend ab Beginn des Jahres 2022 in Kraft getreten und soll insbesondere private Betreiber von PV-Anlagen auf dem selbstgenutzten Einfamilienhaus oder einem Vermietungsobjekt von steuerlichen Pflichten entbinden und damit bürokratische Hürden bei der Errichtung einer solchen Anlage beseitigen.

Diese Steuerbefreiung ist weit gefasst und beinhaltet auch größere Anlagen. Allerdings weist die Gesetzesformulierung eine Vielzahl an Auslegungsfragen auf. Hierzu hat nun die FinVerw mit Schreiben vom 17.7.2023 (Az. IV C 6 – S 2121/23/10001 :001) Stellung genommen. Dies bietet der Praxis eine wichtige Auslegungshilfe. Im Folgenden stellen wir die Kernaspekte dar.

 Wer kann die Steuerbefreiung nutzen?

  • Die Steuerbefreiung gilt für alle natürlichen Personen, die der Einkommensteuer unterliegen, für Kapitalgesellschaften und auch für Personengesellschaften, wenn sich also mehrere Personen für den Betrieb einer solchen Anlage zusammenschließen.
  • Ehegatten gelten insoweit grds. steuerlich als eigenständige Personen, so dass jeder der Ehegatten separat die Steuerbefreiung nutzen kann. Dies ist allerdings anders zu sehen, wenn die Ehegatten die PV-Anlage gemeinsam betreiben und damit eine Personengesellschaft gründen. Insoweit ist also zwischen diesen rechtlichen Organisationsformen zu unterscheiden, wobei es insbesondere darauf ankommt, ob die Ehegatten gemeinsam nach außen hin auftreten, so z.B. bei der Beauftragung der Installation, der Eintragung im Marktstammdatenregister und hinsichtlich der Einspeisung von Strom in das allg. Stromnetz gegenüber dem Energieversorgungsunternehmen. Hierzu folgende Beispiele:

Beispiel 1:

Sachverhalt: Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus jeweils eine eigenständige Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von jeweils 12,00 kWp (Kilowatt peak).

Steuerliche Lösung: Die Steuerbefreiung gilt sowohl für A als auch für B.

Beispiel 2:

Sachverhalt: Der Ehemann A und die Ehefrau B betreiben auf dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus gemeinschaftlich (als Mitunternehmerschaft) eine Photovoltaikanlage mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von 24,00 kWp.

Steuerliche Lösung: Die Steuerbefreiung gilt für die Mitunternehmerschaft der Eheleute A und B insgesamt.

Welche PV-Anlagen werden von der Steuerbefreiung erfasst?

  • Von der Steuerbefreiung erfasst werden PV-Anlagen bestimmter Größe, wobei dann hinsichtlich des Gebäudes, auf dem die PV-Anlage errichtet ist, zu differenzieren ist. Maßgebend ist insoweit stets die Bruttoleistung nach dem Marktstammdatenregister in Kilowatt peak.
  • Begünstigt sind mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene PV-Anlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden (einschließlich Nebengebäude, wie z.B. Gartenhäuser, Garagen, Carports). Begünstigt sind auch dachintegrierte und sog. Fassadenphotovoltaikanlagen. Nicht von der Steuerbefreiung erfasst werden Freiflächenanlagen.
  • Es ist nicht erforderlich, dass der Betreiber der PV-Anlage auch Eigentümer jenes Gebäudes ist, auf, an oder in dem sich die PV-Anlage befindet.
  • Hinsichtlich der maximalen Größe ist bezüglich des Gebäudes, auf dem die PV-Anlage errichtet ist, zu differenzieren. Dabei werden alle PV-Anlagen des Stpfl. auf dem jeweiligen Gebäude zusammengerechnet:
Art des GebäudesMaximale maßgebliche Leistung der Anlage(n) in kWp je Stpfl./Mitunternehmerschaft (gebäudebezogene Betrachtung)
Einfamilienhaus30 kWp
Wohnzwecken dienendes Zwei-/Mehrfamilienhaus15 kWp je Wohneinheit
Gemischt genutzte Immobilie (also Nutzung sowohl zu Wohn- als auch zu Gewerbezwecken)15 kWp je Wohn-/ Gewerbeeinheit
Nicht Wohnzwecken dienendes Gebäude, z.B. Gewerbeimmobilie mit einer Gewerbeeinheit, Garagengrundstück30 kWp
Gewerbeimmobilie mit mehreren Gewerbeeinheiten15 kWp je Gewerbeeinheit

Beispiele für von der Steuerbefreiung erfasste PV-Anlagen:

Der Stpfl. hat auf drei verschiedenen Einfamilienhäusern jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 25 kWp. Alle drei Anlagen sind begünstigt.

  • Der Stpfl. hat auf einer gemischt genutzten Immobilie (ein Ladengeschäft und zwei Wohnungen) eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 40 kWp, die damit unter den zulässigen 45,00 kWp für drei Einheiten liegt. Weiterhin hat dieser Stpfl. auf einer Gewerbeimmobilie eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 20,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.
  • Der Stpfl. hat auf einem Zweifamilienhaus eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 25,00 kWp und auf einer Gewerbeimmobilie mit drei Gewerbeeinheiten eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 45,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.
  • Sowohl die Ehefrau A als auch der Ehemann B betreiben auf ihrem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 16,00 kWp. Beide Anlagen sind begünstigt.

Beispiele für von der Steuerbefreiung nicht erfasste PV-Anlagen:

  • Der Stpfl. hat auf seinem Einfamilienhaus eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 34,00 kWp.
  • Der Stpfl. hat auf seinem Haus mit zwei Wohneinheiten und der dazugehörigen Garage jeweils eine Anlage mit einer maßgeblichen Leistung von 15,10 kWp. Beide Anlagen sind nicht begünstigt, da deren maßgebliche Leistung insgesamt mit 30,20 kWp die für diese Gebäudeart zulässigen 30,00 kWp überschreitet.
  • A und B sind Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten. A betreibt auf dem Pultdach des Hauses eine Anlage mit 50,00 kWp und B auf den dazugehörigen Garagen eine Anlage mit 10,00 kWp. Die Anlage des A überschreitet die maßgebliche Leistung von 45,00 kWp für das Mehrfamilienhaus einschließlich der Garagen und ist daher nicht begünstigt. Die Anlage des B ist dagegen begünstigt.

Hinweis:

Bei der Prüfung der Anzahl der Wohn-/Gewerbeeinheiten ist regelmäßig auf die selbständige und unabhängige Nutzbarkeit abzustellen.

Maximalgrenze von 100 kWp:

  • In einem ersten Schritt ist für den Stpfl. oder die Mitunternehmerschaft zu prüfen, ob die maßgeblichen Leistungen der von ihm oder ihr betriebenen PV-Anlagen die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe pro Gebäude einhalten. Diese Prüfung ist objektbezogen für das jeweilige Gebäude vorzunehmen. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der jeweilige Stpfl. oder die jeweilige Mitunternehmerschaft insgesamt die 100,00 kWp-Grenze einhält.
  • Bei der Prüfung der 100,00 kWp-Grenze je Stpfl. bzw. je Mitunternehmerschaft sind alle im Grundsatz unter die Steuerbefreiung fallenden PV-Anlagen des Stpfl. zusammenzurechnen. Das gilt sowohl für Anlagen, die sich auf demselben Grundstück befinden, als auch für Anlagen auf verschiedenen Grundstücken. Dabei ist unerheblich, ob die Anlagen technisch voneinander getrennt sind.
  • Betreibt der Stpfl. entsprechende PV-Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von insgesamt mehr als 100,00 kWp, ist die Steuerbefreiung nach Ansicht der FinVerw insgesamt nicht anzuwenden (Freigrenze). Das heißt alle PV-Anlagen werden steuerlich erfasst.

Beispiel:

Sachverhalt: Ein Stpfl. betreibt zwei Anlagen mit einer maßgeblichen Leistung von 30,00 kWp auf je einem Einfamilienhaus und eine Freiflächenphotovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kWp.

Steuerliche Lösung: Die Freiflächenphotovoltaikanlage ist nicht in die Prüfung der 100,00 kWp-Grenze einzubeziehen. Die beiden Anlagen auf den Einfamilienhäusern sind deshalb von der Steuerbefreiung erfasst.

Abwandlung:

Sachverhalt: Der Stpfl. betreibt zusätzlich eine vierte Photovoltaikanlage mit einer maßgeblichen Leistung von 50,00 kWp auf einem Haus mit zwei Wohneinheiten.

Steuerliche Lösung: Da die vierte Anlage bereits dem Grunde nach nicht unter die gesetzliche Steuerbefreiung fällt, da die maximale maßgebliche Leistung für diese Gebäudeart von 30,00 kWp überschritten ist, ist diese Anlage ebenfalls nicht in die Ermittlung der 100,00 kWp-Grenze einzubeziehen.

Hinweis:

Werden die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung unterjährig erstmalig oder letztmalig erfüllt (z.B. auf Grund von Veränderungen bei den Wohn-/Gewerbeeinheiten im Gebäude, Änderung der maßgeblichen Leistung der PV-Anlage, Über- oder Unterschreitung der 100,00 kWp-Grenze), findet die Steuerbefreiung nur bis zu bzw. ab diesem Zeitpunkt Anwendung.

Von der Steuerbefreiung erfasste Einnahmen und Entnahmen:

  • Kommt die Steuerbefreiung zur Anwendung, so ist zwar die PV-Anlage im Grundsatz steuerlich relevant, jedoch werden die insoweit erzielten Einnahmen und Entnahmen steuerfrei gestellt, so dass der Betrieb der PV-Anlage im Ergebnis keine steuerlichen Konsequenzen nach sich zieht.
  • Zu den steuerfrei gestellten Einnahmen gehören insbesondere
  • die Einspeisevergütung
  • Entgelte für anderweitige Stromlieferungen, z.B. an Mieter,
  • Vergütungen für das Aufladen von Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugen,
  • Zuschüsse und
  • bei der Einnahmenüberschussrechnung vereinnahmte und erstattete Umsatzsteuer.
  • Entnahmen – welche dann ebenso steuerfrei sind – liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird, z.B.:
  • Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verwendet.
  • Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung in Räumen verwendet, die der Erzielung von Einkünften aus einer anderen Einkunftsquelle dienen, z.B. das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen einer Arbeitnehmertätigkeit des Stpfl.
  • Der mit der PV-Anlage erzeugte Strom wird neben der teilweisen Netzeinspeisung für das Aufladen eines (eigenen privaten) Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs genutzt oder die Aufladung erfolgt unentgeltlich. Eine Entnahme liegt nicht vor, wenn das Fahrzeug zum Betriebsvermögen des die PV-Anlage betreibenden Betriebs gehört.

Folge der Steuerfreiheit der Einnahmen ist, dass Betriebsausgaben steuerlich nicht geltend gemacht werden können:

  • Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem (ggf. zukünftigen) Betrieb von PV-Anlagen stehen, die unter die Steuerbefreiung fallen, sind steuerlich nicht abzugsfähig.
  • Dies betrifft z.B. die Abschreibung der PV-Anlage, Versicherung oder Ausgaben für Wartung.
  • Die Steuerbefreiung ist kein Wahlrecht, sondern zwingend anzuwenden. Dies betrifft dann entsprechend auch das Betriebsausgabenabzugsverbot.
  • Wird die PV-Anlage in einem Betrieb errichtet, dessen Zweck nicht ausschließlich der Betrieb steuerfreier PV-Anlagen ist, so gilt die Steuerbefreiung nur insoweit, als der Strom eingespeist, entnommen oder an Dritte veräußert wird. Soweit der Strom im eigenen Gewerbebetrieb verbraucht wird, können mit der PV-Anlage im Zusammenhang stehende Betriebsausgaben steuerlich angesetzt werden. Für solche Anlagen kann auch ein Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht werden.

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen:

  • Die FinVerw lässt es zu, dass für Aufwendungen in Bezug auf steuerfrei gestellte PV-Anlagen, die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, die Aufwendungen als Handwerkerleistungen zu einer Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer genutzt werden können. Dies betrifft bei der Errichtung einer Anlage allerdings nur den Lohnanteil, der insoweit in der Rechnung separat ausgewiesen sein sollte. Gleiches gilt für Kosten der Wartung oder Reparatur einer solchen PV-Anlage.

Zeitliche Anwendung der Steuerbefreiung:

  • Die Steuerbefreiung der Einnahmen und Entnahmen für die gekennzeichneten Anlagen gilt ab dem Jahr 2022. Dies ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Errichtung der Anlage. Demnach sind bei vor 2022 errichteten Anlagen bis 2021 die allgemeinen steuerlichen Regeln anzuwenden und ab 2022 sind – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – die Einnahmen und Entnahmen steuerfrei zu stellen.
  • Die bisherige Vereinfachungsregel der FinVerw, nach der bei bestimmten kleineren Anlagen unterstellt werden konnte, dass keine Gewinnerzielungsabsicht besteht und damit diese Anlagen steuerlich nicht relevant sind, gilt für PV-Anlagen, die nach dem 31.12.2021 in Betrieb genommen wurden, nicht mehr.
  • Wurde bis einschließlich im Jahr 2021 ein Investitionsabzugsbetrag für die zukünftige Errichtung einer PV-Anlage geltend gemacht und wird nun insoweit im Jahr 2022 oder später in eine unter die Steuerbefreiung fallende Anlage investiert, so ist nach Ansicht der FinVerw der Investitionsabzugsbetrag rückwirkend wieder rückgängig zu machen.

Handlungsempfehlung:

In der Fachliteratur werden für einzelne Fragen auch andere Ansichten vertreten als nun von der FinVerw. In bedeutenden Fällen sollte daher steuerlicher Rat eingeholt werden.